Verwaltungsstrafen - "Beraten statt strafen" passierte Ausschuss
Utl.: Prinzip soll bei geringfügigen Verstößen gegen behördliche Auflagen eingeführt werden - Umfangreiches Gesetzespaket im Verfassungsausschuss gebilligt
Wien (APA) - Im Verfassungsausschuss des Nationalrates ist am Mittwoch ein umfangreiches Gesetzespaket verabschiedet worden, das unter anderem den Grundsatz "Beraten statt strafen" im Verwaltungsstrafgesetz verankern soll. Wer nur in geringfügigem Maß gegen gesetzliche oder behördliche Auflagen verstößt, könnte damit in Hinkunft mit einem blauen Auge davonkommen.
Ab dem Jahr 2019 sollen bei weniger gravierenden Übertretungen Abmahnungen und Belehrungen Vorrang haben. Damit müssten etwa Betriebe in Zukunft bei geringfügigen Verwaltungsübertretungen erst im Wiederholungsfall Strafe zahlen. Allerdings sind die Bestimmungen sehr eng gefasst, so dürfen durch den Rechtsverstoß weder Personen noch Sachgüter je gefährdet gewesen sein. Auch bei vorsätzlichem Verhalten oder wiederholten gleichartigen Übertretungen ist ein Strafverzicht ausgeschlossen. Zudem ist der rechtskonforme Zustand innerhalb einer von der Behörde gesetzten Frist herzustellen.
Der neue Beratungs-Paragraph ist Teil eines von der Regierung vorgelegten umfangreichen Gesetzespakets, das mit den Stimmen der Koalitionsparteien ÖVP und FPÖ beschlossen wurde, wie die Parlamentskorrespondenz berichtete. Es zielt auf effizientere und transparentere Verwaltungsstrafverfahren ab. So werden etwa die Befugnisse von Sicherheitsorganen genauer definiert und die Beschuldigtenrechte im Einklang mit neuen EU-Vorgaben ausgeweitet. Außerdem ist eine Vereinheitlichung der Strafkataloge vorgesehen.
Nicht mehr Teil der nunmehrigen Initiative ist die Möglichkeit, Ersatzfreiheitsstrafen auch im Verwaltungsstrafrecht durch gemeinnützige Arbeit abzudienen ("schwitzen statt sitzen"). Darüber werden laut Justizminister Josef Moser (ÖVP) derzeit noch Gespräche mit den Ländern geführt. Er wolle an diesem Vorhaben grundsätzlich aber festhalten.
Abseits des Schwerpunkts Verwaltungsstrafrecht zielen einige der im Paket enthaltenen Bestimmungen auf eine Beschleunigung von Verwaltungsverfahren ab. So wird Behörden und Verwaltungsgerichten die Möglichkeit eingeräumt, Ermittlungsverfahren mit Schluss der mündlichen Verhandlung für beendet zu erklären. Auch sonst wird es Parteien erschwert, im letzten Augenblick noch neue Tatsachen und Beweismittel vorzubringen. Damit sollen Verfahrensverschleppungen unterbunden werden.
Scharfe Kritik am neuen Beratungs-Paragraphen kam erneut von SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim. Er befürchtet, dass durch zu große Nachsicht die Bevölkerung zum Handkuss kommen wird, und sprach in diesem Zusammenhang neuerlich von einem "Toleranzexzess". Die Unternehmen könnten aufatmen, meinte er, das gehe aber "zulasten der Menschen draußen". Außerdem sieht Jarolim die Durchsetzung von Ordnungsbestimmungen wie die Wegräumpflicht von Hundekot und des Alkoholverbots am Praterstern gefährdet. Moser versuchte diese Kritik zu entkräften: Rücksichtslosigkeit werde mit dem Gesetz keinesfalls gefördert. Nur bei geringer Intensität der Beeinträchtigung und einer geringen Schuld hätten Abmahnungen Vorrang vor Strafen.
Um eine Fehlinterpretation des Gesetzes zu vermeiden, fassten die Abgeordneten mit ÖVP-FPÖ-NEOS-Mehrheit auch eine Ausschussfeststellung. Darin wird ausdrücklich festgehalten, dass die Beratung das Ziel hat, das rechtswidrige Verhalten binnen einer
bestimmten Frist abzustellen und die Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nicht möglich ist, wenn der Beschuldigte in der strafbaren Handlung verharrt.
Ebenfalls mit den Stimmen der Koalitionsparteien billigte der Verfassungsausschuss ein neues Bundesgesetz zur Umsetzung einer EU-Richtlinie. Ziel ist es, grenzüberschreitende Beweiserhebungen in Verwaltungsstrafsachen etwa durch ein einheitliches Verfahren und vorgegebene Fristen zu beschleunigen. Noch offen ist, ob die für den Beschluss im Nationalrat notwendige Zweidrittelmehrheit zustande kommt. Im Ausschuss lehnten SPÖ, NEOS und Liste Pilz den Entwurf jedenfalls mit Hinweis auf Einwände der Rechtsanwaltskammer geschlossen ab.
Noch nicht enthalten ist im Paket die ursprünglich im Entwurf von Moser enthaltene Zurückdrängung des Kumulationsprinzips bei Verwaltungsstrafen. Von NEOS und SPÖ darauf angesprochen, sagte Moser, dass ein entsprechender Gesetzentwurf in Arbeit sei. Wo es um Arbeitnehmerrechte gehe, werde dieses Prinzip aber nicht abgeschafft, versicherte er.