Deutschklassen: Weiter Kritik von Opposition und Experten
Utl.: Gesetzesentwurf passierte Unterrichtsausschuss
Wien (APA) -Die von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) geplanten Deutschförderklassen haben am Dienstag trotz Kritik von Opposition und Experten mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ den Unterrichtsausschuss des Nationalrats passiert. Ab dem kommenden Schuljahr sollen alle Schulanfänger, die dem Unterricht nicht ausreichend folgen können, nach eigenem Lehrplan in eigenen Klassen unterrichtet werden.
Vor der Abstimmung wurde noch ein Expertenhearing abgehalten. "Wir haben aber keine Klarheit bekommen, warum Deutschförderklassen jetzt besser sein sollen", bemängelte SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid bei einer Pressekonferenz im Anschluss. Vielmehr würden im Zuge deren Einführung Integrationsmittel und damit Pädagogen, Sozialarbeiter und mobile Teams wegfallen. "Wie das gehen soll, bessere Ergebnisse zu erreichen mit weniger Ressourcen, konnte auch heute nicht geklärt werden." Von Faßmann sei sie ob der Missachtung der Einwände aus der Wissenschaft enttäuscht: "Für mich ist das eine Ho-Ruck-Aktion, um Wahlkampfslogans des Herrn Kurz zu bedienen."
Von einer "PR-Maßnahme" und einem "Marketing-Schmäh" sprach NEOS-Wissenschaftssprecherin Claudia Gamon. "Man schreibt Deutschklassen drauf, aber es kommt nicht heraus, wie Kinder dadurch besser Deutsch können sollen." "Es wird ein starres Modell über alle Schultypen gestülpt", monierte Daniela Holzinger von der Liste Pilz. Die Lehrer seien aber nicht mit einheitlichen Kindern konfrontiert, meinte Gamon. "Der Spracherwerb verläuft nicht linear. Man kann nicht sagen, wie Kindern standardisiert Deutsch beigebracht werden kann."
Beim Hearing habe kein einziger Experte die Ansicht vertreten, dass es Belege dafür gebe, dass eine Segregierung der Kinder mit mangelnden Sprachkenntnissen besser funktioniere, betonte Holzinger. Sogar die von der FPÖ nominierte Vertreterin habe außerdem die Meinung geäußert, dass maximal eine Gruppengröße von 15 Kindern angestrebt werden solle. Im Gesetzesentwurf sei dagegen die normale maximale Gruppengröße von 25 vorgesehen.
Die Bildungspsychologin Christiane Spiel sowie Ex-AHS-Direktorin Heidi Schrodt plädierten dafür, die konkreten Sprachfördermaßnahmen in die Autonomie der Schulen zu legen. Die Bedingungen an den einzelnen Schulstandorten seien für eine einheitliche Vorgehensweise viel zu unterschiedlich, meinte Spiel. "Da ist es schwer, dass ein Ministerium da hineinschaut oder auch ein Land - aber der jeweilige Schulleiter kann es."
"Erschüttert" zeigte sich die Bildungsforscherin Barbara Herzog-Punzenberger ob der fehlenden Evidenzbasierung der geplanten Maßnahme. Dazu käme der einkalkulierte Schullaufbahnverlust von einem Jahr für jene Kinder, die eine Deutschförderklasse besuchen. In Kanada sei dies etwa nicht der Fall, obwohl dort rund die Hälfte der Kinder daheim nicht die Unterrichtssprache spricht.
Verteidigt wurden die Maßnahmen dagegen von den Regierungsparteien. ÖVP-Bildungssprecher Rudolf Taschner verwies in einer Aussendung auf ein entsprechendes Pilotprojekt in Niederösterreich. Dort hätten sich Deutschklassen bereits bewährt. Sein FPÖ-Pendant Wendelin Mölzer hält auch eine Sprachstandserhebung bereits im vierten Lebensjahr für nötig, um schon im Kindergarten eruieren zu können, auf welchem Niveau die Sprachkenntnisse eines Kindes sind. "Erfreulich ist es auch, dass jene Kinder, die ausreichend Deutsch können, künftig nicht mehr wie im derzeitigen Ausmaß unter Integrationsproblemen leiden müssen."